Nordirlandkonflikt (1969-1998)

Erläuterung:
Der Nordirlandkonflikt wird auf den Zeitraum von 1969 bis 1998 eingegrenzt. Obwohl die Konfliktparteien in ein katholisches und ein protestantisches Lager eingeteilt werden, geht es nicht direkt um religiöse Fragen. Vielmehr befürwortet das protestantische Lager, das Nordirland weiterhin Teil des Vereinigten Königreiches bleibt. Die katholische Seite hingegen steht für die Seperation von Großbritannien und eine Vereinigung mit der Republik Irland. Somit stehen vor allem Fragen nationaler Identität und politischer Kontrolle im Mittelpunkt der Auseinandersetzung.

Den Hintergrund des Konfliktes bildet die im 17. Jahrhundert einsetzende Besiedlung Nordirlands, insbesondere der Provinz Ulster (flächenmäßig ähnlich dem heutigen Nordirland). Dabei vertrieben protestantische Engländer und Schotten die katholische Bevölkerung, die sich zwar zur Wehr setzte, aber im Verlauf der Zeit entrechtet wurde.
Im Rahmen des europäischen Nationalismus des 19. Jahrhundert wuchsen in Irland die Stimmen für eine Unabhängigkeit von Großbritannien. Nach der Erklärung der unabhängigen Republik Irland kam es ab 1919 zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den britischen Behörden. Nachdem diese den Konflikt militärisch nicht eindämmen konnten, einigte man sich 1921 auf eine Teilung Irlands in einen Freistaat im Süden, der die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich verfolgte, sowie einen weiterhin zum Vereinigten Königreich gehörenden Teil im Norden.

In den folgenden Jahren wurde Nordirland von pro-britischen Politikern kontrolliert. Diese begannen die größtenteils pro-irisch eingestellten katholischen Bevölkerungsteile massiv zu diskriminieren und ihre politischen Handlungspielräume stark einzuschränken. Im Weiteren kam es zu einer klaren Segregation zwischen katholischen und protestantischen Bevölkerungsteilen in deren Verlauf Misstrauen und Ressentiment auf beiden Seiten wuchsen.

Die gewaltsamen Auseinandersetzungen begannen als 1966 eine protestantische, paramilitärische Organisation (UVF) gegründet wurde, die als Reaktion auf eine angebliche Neugründung der IRA mit Gewalt- und Einschüchterungsmaßnahmen gegen Katholiken vorging.
Am 12. August 1969 eskalierte der Konflikt, als Protestanten in der Stadt Derry in ein katholisches Viertel eindrangen und die Bewohner bedrängten. Daraufhin kam es zu Straßenschlachten zwischen Protestanten, Katholiken und Polizeikräften. Letztere hatten sich bereits zuvor unterlassen, moderate katholische Bürgerrechtsproteste gegen Übergriffe von radikalen Unionisten zu schützen. Nachdem es zu mehreren Toten, zahlreichen Verletzten und vielen Vertreibungen - mehrheitlich von Katholiken - kam sowie eine zunehmende Ghettoisierung anhand konfessioneller Linien kam, wurde die britische Armee zu Hilfe gerufen.

Nachdem sich die Lage zunächst beruhigt hatte, verschlechterte sich die Situation in den kommenden Jahren, als die IRA sich gegen teils überzogene Maßnahmen der Armee, die zunehmend als Komplize der protestantischen Regierung wahrgenommen wurde, gegen die katholische Bevölkerung zu wehren begann. Dabei kam es zu vielen Toten und Verletzten in Folge von Schießereien zwischen Armee und IRA, von IRA-Anschlägen gegen Armee- und Regierungsangehörige sowie Schüssen der Armee auf Demonstranten.

Die 70er Jahre waren geprägt von Auseinandersetzungen um die Kontrolle von verschiedenen Stadtteilen und Gebieten zwischen der Armee und irisch-nationalistischen Paramilitärs. Zudem kam es zu zahlreichen Morden an der katholischen Zivilbevölkerung durch loyalistischen Paramiltärs und in der Folge zu Vergeltungsschlägen der IRA.

Dies setzte sich in den 80er Jahren fort. Parallel entstand mit der Partei Sinn Féin eine politische Repräsentation der irischen Nationalisten. Aus loyalistischem Lager wurde ihr immer wieder eine zu starke Nähe zur IRA vorgeworfen. Im Friedensprozess gegen Ende der 80er Jahre und zu Beginn der 90er bot die IRA einseitig einen Waffenstillstand unter der Bedingung an, dass Sinn Féins an den Aushandlungen beteiligt würde. Als dies zunächst verwehrt wurde, kam es in Folge wieder zu Anschlägen und Schießereien, sodass Sinn Féin wieder miteinbezogen wurde und im Karfreitagsabkommen von 1998 die Gewalt beendet werden konnte. Der Weg für eine politische Lösung unter Beteiligung der Nordirischen Parteien und den Regierungen der Republik Irlands und Großbritanniens war damit frei. Dabei verzichtete die Republik Irland auf eine Wiedervereinigung mit Nordirland, von britischer Seite wurde eine Reform der Polizei durchgeführt und Sinn Féin erhielt administrative Teilhabe.
Das Abkommen wurde in der Republik Irland und in Nordirland per Volksentscheid ratifiziert.
Literatur:
Jörg Güßefeldt: Die räumliche Dimension des nordirischen Konflikts in Belfast. Göttingen: Goltze, 2002. ISBN: 3-88452-109-8
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