Erster Weltkrieg (1914-1918)

Erläuterung:
Seit der Jahrhundertwende bestimmte imperialistisches Streben und nationalistisches Selbstverständnis das Handeln der europäischen Großmächte. Die Spannungen, die einerseits aus dem Kampf der expandierenden Industrienationen um Rohstoffquellen und Absatzquellen in Übersee und andererseits durch traditionelle Rivalitäten in Europa selbst entstanden, gewannen an Schärfe.

Vor dem Hintergrund des seit 1871 schwelenden deutsch-französischen Gegensatzes um Elsaß-Lothringen und der seit 1898 betriebenen deutschen Flottenpolitik entstand ein in zwei Lager geteiltes europäisches Bündnissystem. Auf der einen Seite der Dreibund, bestehend aus Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien und auf der anderen als Reaktion die Tripleentente mit Frankreich, Russland und Großbritannien.

Auslöser des Krieges wurde jedoch der Krisenherd auf dem Balkan. Im Zeichen des Panslawismus unterstützte Russland nationale, gegen Österreich-Ungarn und die Türkei gerichtete Strömungen in Serbien, Bosnien und Herzegowina. Als am 28. Juni 1914 der österreichische Thronfolger in Sarajevo ermordet wurde, machte Österreich Serbien für das Attentat verantwortlich. Um militärisch gegen Serbien vorgehen zu können, versicherte sich Österreich der unbedingten Bündnistreue Deutschlands (propagandistisch „Nibelungentreue“ genannt).

Zeitgleich zu einem Ultimatum Österreichs an Serbien erfolgte in beiden Ländern die Mobilmachung. Während Serbien massiv von Russland unterstützt wurde, versuchten die anderen europäischen Großmächte einen drohenden Krieg mit diplomatischen Bemühungen abzuwenden, ohne sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen zu können.

Am 28. Juli schließlich erklärte Österreich Serbien den Krieg. Durch den Mechanismus der Bündnisse und der militärischen Operationspläne, aber auch durch eine Politik, die das Risiko eines Krieges in Kauf nahm, weitete sich ein regionaler Konflikt zu einem Weltkrieg aus. Als Folge der russischen Teilmobilsierung vom 29. Juli erklärte Deutschland am 1. August Russland den Krieg. Wegen der fehlenden Neutralitätszusage Frankreichs für den Fall einer deutsch-russischen Auseinandersetzung folgte die deutsche Kriegserkärung an Frankreich am 3. August. Nachdem Deutschland mit seinem Einmarsch am 3./4. August die belgische Neutralität verletzt hatte, um entsprechend dem Schlieffenplan den Auswirkungen der französischen Mobilmachung von Norden her zuvorzukommen, trat am 4. August Großbritannien in den Krieg ein.

Mit Fortgang des Krieges spalteten sich erst die Staaten Europas und später auch anderer Kontinente in zwei Lager. Einerseits die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn, an deren Seite im November 1914 das Osmanische Reich in den Krieg eingetreten war, gefolgt von Bulgarien im Oktober 1915. Auf der anderen Seite die ursprüngliche Tripleentente von Frankreich, Russland und England mit Serbien, Belgien und Japan, denen sich 1915 Italien, 1916 Rumänien und Portugal, Griechenland, China und viele lateinamerikanische Staaten anschlossen.

Obwohl Kampfhandlungen auf fast allen Kontinenten und Meeren stattfanden, lag der Schwerpunkt der Kämpfe zu Land in Europa. Nach anfänglichen Erfolgen der deutschen Offensive im Westen erstarrte die Front für fast vier Jahre im Stellungskrieg. Die großen Materialschlachten im Westen (Ypern 1915, Verdun und Dounaumont, die Schlacht an der Somme 1916) unter Einsatz von massievem Trommelfeuer und Giftgas, brachten riesige Verluste aber kaum Geländegewinn und keinerlei militärische Entscheidungen.

Im Osten gelang es Deutschland im September 1914, die unvermutet rasch bis nach Ostpreussen vorgedrungenen russischen Truppen bei Tannenberg zu schlagen. 1915 rückten deutsche Truppen in Polen, Litauen und bis nach Kurland vor. Die russische Armee erlitt schwere Verluste und war demoralisiert. Russland, seit dem Kriegseintritt des Osmanischen Reiches vom Nachschub der Westmächte abgeschnitten und ohnehin das industriell schwächer entwickelte Land, rutschte in eine schwere Versorgungskrise. Diese und die bald aussischtslose militärische Lage führte im Frühjahr 1917 zunächst zur Abdankung des Zaren, dann im Oktober zur Revolution. Der Krieg im Osten endet mit dem Waffenstillstand vom 15. Dezember 1917.

Im Frühjahr 1917 kommt es in Deutschland aufgrund der katastrophalen Versorgungslage in den Industriezentren zu ersten Arbeiterstreiks. Die innenpolitsche Unterstützung für den Krieg bröckelt. Im Juli verabschiedet der Reichstag mit den Stimmen der Zentrumspartei und der Sozialdemokraten eine Friedensresolution, die jedoch ohne Wirkung bleibt. Die Oberste Heeresleitung mit General Ludendorff und Hindenburg an der Spitze bestimmt nach dem Rücktritt des Reichskanzlers Bethmann-Hollweg praktisch alle politischen Entscheidungen und hält weiter am „Siegfrieden“ fest. Im Januar weiten sich Hungerstreiks zu politischen Streiks gegen die Fortführung des Krieges aus und können nur durch das besonnene Auftreten von Politikern und Gewerkschaftsführern beendet werden.

Nachdem Deutschland 1917 den uneingeschränkten U-Boot-Krieg erklärt hatte, war die USA am 6. April auf Seiten der Alliierten in den Krieg eingetreten. Im Frühsommer 1918 führte eine mit amerikanischer Unterstützung geführte britisch-französische Gegenoffensive die deutschen Truppen im Rückzug teils bis an die Reichsgrenze zurück. Nachdem im Frühherbst 1918 kurz aufeinander Bulgarien, das Osmanische Reich und Österreich-Ungarn kapitulierten, mußte auch die deutsche Reichsregierung auf plötzliches Verlangen der Obersten Heeresleistung um Waffenstillstand bitten, der am 11. November 1918 in Compiègne unterzeichnet wurde. Dies kam einer totalen Kapitulation gleich und leitete den Frieden von Versailles ein.
Literatur:
Niall Ferguson. Der falsche Krieg. Der Erste Weltkrieg und das 20. Jahrhundert. Stuttgart: DVA, 1999.

Sebastian Haffner. Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg. Bergisch-Gladbach: Lübbe, 1981.

Gerhard Hirschfeld (Hg.). Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Paderborn: Schöningh, 2004.

John Keegan. Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Tragödie. Reinbek bei Hamburg: Kindler, 2000.
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